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„Donnerstag ist mein Innovationstag“

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Bettina Blaß ist seit 12 Jahren freie Wirtschaftsjournalistin, Dozentin, Buchautorin und ständig am Puls der Zeit. Sie veröffentlicht E-Books, führt mehrere Blogs – und hat jetzt für zwei Monate ein Ladenlokal in Köln-Ehrenfeld in der Körnerstraße gemietet.

Wie bitte, ein Ladenlokal?

Darüber bin ich dann doch gestolpert und habe mich mit ihr zum Interview getroffen. Wir sprechen darüber, wie sie neue Ideen umsetzt, wie viel Geld sie mit E-Books verdient – und warum junge Journalisten nicht in die Schreibtischkante beißen sollen.

Als Journalist sitzt man ja in der Regel in seinem Büro vor dem Computer und hat kein Ladengeschäft wie ein Einzelhändler. Warum hast du dich dazu entschieden, einen öffentlichen „Showroom“ zu mieten? 

Bettina Blaß: Letztlich gibt es drei Gründe: Erstens bin ich zwar hauptberuflich Wirtschaftsjournalistin. Aber in meiner Freizeit fotografiere ich leidenschaftlich gerne. Nur wandern die meisten Fotos nur auf meinen Computer und sind letztlich für viele Menschen nicht sichtbar. Im Ladenlokal werde ich Fotos ausstellen und so für viele sichtbar machen.

Gleichzeitig biete ich kurze Workshops an, zum Beispiel zum digitalen Fotografieren, E-Books oder Urlaub-Apps. Die Workshops sind kostenlos. Aber man kann gerne etwas Geld in die Spendenkasse werfen, wenn man etwas gelernt hat.

Der dritte Grund: Ich möchte für eine begrenzte Zeit außerhalb meines bisherigen Büros arbeiten. Ich habe sowohl in Bürogemeinschaften gearbeitet als auch in einem eigenen Büro zu Hause. Es packt mich einfach regelmäßig und dann brauche ich einen Wechsel, neuen Input, neue Situationen. So ist es jetzt auch mit dem Ladenlokal. Außerdem habe ich dort WLAN und leite das Telefon um. Ich bin also für meine Kunden weiterhin erreichbar.

Das Ladenlokal kostet dich insgesamt rund 600 Euro für zwei Monate. Dazu noch kostenlose Workshops. Da sagen sicher viele: So viel bin ich nicht bereit zu investieren. Kannst du das verstehen? 

Bettina-Blass

Auf der Suche nach neuen Ideen, nach neuem Input: Bettina Blaß.

Bettina Blaß: Natürlich ist es eine Investition. Und natürlich weiß man nicht, was sich daraus entwickelt. Aber in meinen 12 Jahren Selbstständigkeit habe ich die Erfahrung gemacht, dass sich solche neuen Projekte langfristig immer lohnen.

Ein Beispiel: Vor zwei Jahren habe ich für viereinhalb Wochen in Tansania als ehrenamtliche Reporterin für eine Nichregierungsorganisation gearbeitet. Das hat viel Geld gekostet, aber letztlich bin ich mit einer schwarzen Null nach Hause gefahren. Meine Kunden haben super reagiert und mich gefragt, ob ich nicht etwas für sie daraus machen kann.

So habe ich zum Beispiel für handelsblatt.com eine Geschichte darüber geschrieben, wie man international Geld spendet ohne dass es viel kostet. Oder für das Handwerk-Magazin, wie sich Handwerker ehrenamtlich engagieren. Und ein Jahr später war ich Austausch-Dozentin in Memphis – wieder etwas außerhalb des Alltags. Und dort habe ich unter anderem über Mobile Reporting in Afrika gesprochen.

Wie viel Zeit investierst du in neue Projekte?

Bettina Blaß: Donnerstag ist mein Innovationstag. Ich lege die Woche über Artikel zur Seite, die ich interessant finde. Donnerstags arbeite ich die Artikel dann durch und daraus entstehen neue Ideen. Die Umsetzung integriere ich dann in meinen Arbeitsalltag. Jeder Arbeitstag besteht bei mir aus Schwarzbrot und Croissants. Zuerst erledige ich die Jobs, mit denen ich Geld verdiene. Danach kommen die Croissants, die mir persönlich Freude bereiten, wo ich Neues ausprobiere.

In unserem Job ändert sich so schnell so viel – und die Geschwindigkeit wird nicht nachlassen. Man muss sich Zeit einräumen, sich mit neuen Dingen auseinanderzusetzen, wenn man die Chancen nutzen will, die sich für uns freie Journalisten ergeben. Aber man muss sich Innovationen auch ganz klar leisten können.

Genau das ist der Punkt. Viele junge Journalisten, die sich selbstständig gemacht haben, haben schlicht mit Existenzängsten zu kämpfen. Das kannt einem den Kopf zuschnüren.

Bettina Blaß:  Ich selbst war fünf Jahre festangestellt und bin dann entlassen worden. Ich weiß, was Existenzängste bedeuten – und die bekommt man auch nie mehr ganz weg. Auch einem etablierten Freiberufler wie mir flattert das Herz, wenn große Kunden auf einmal wegbrechen. Es ist eine berechtigte Angst, die ich niemandem nehmen kann.

Aber trotzdem kann jeder in einem kleinen Rahmen für sich Innovationen erschaffen. Selbst wenn man gerade nicht voll ausgelastet ist, weil die Kunden fehlen, kann man doch nicht in die Schreibtischkante beißen und hoffen, dass das Telefon klingelt.

Übrigens macht es sehr viel Sinn, in neue Projekte zu investieren, wenn man aktuell gut ausgelastet ist. Denn oft bringen solche neuen Projekte eben kurzfristig wenig, aber langfristig viel. Ein eigenes Projekt ist etwas anderes als einen Artikel zu schreiben, die Rechnung einzutüten und im nächsten Monat ist das Geld auf dem Konto.

Du schreibst selbst E-Books und gibst dazu auch Seminare. Worauf muss man achten, wenn man in das Geschäftsfeld einsteigen will?

Bettina Blaß: Das Entscheidende ist, ein Thema zu finden, dass bei den Lesern zieht. Das ist gar nicht so einfach, wie man denkt. Ich habe zum Beispiel gedacht, dass ich genau zu meiner Kernkompetenz – Verbraucherjournalismus – E-Books veröffentliche. Aber die E-Books verkaufen sich schlecht. Andere Themen jenseits meiner Kernkompetenz, zum Beispiel E-Books zu meinen Reisen, verkaufen sich viel besser. Besonders die Asien-E-Books laufen gut, an Afrika ist kaum jemand interessiert.

Und wie viel verdienst du damit?

Bettina Blaß: Im Augenblick rund 40 Euro im Monat. Das ist natürlich nicht viel. Aber auf der anderen Seite habe ich einmal einen Aufwand und danach muss ich nichts mehr machen. Und innerhalb von zwei, drei Jahren kommt doch ein recht netter Betrag zusammen. Letztlich sind alle digitalen Einnahmekanäle ein Mosaik aus vielen Kleinbeträgen, die dann zum Jahresende doch zu einer ordentlichen Summe werden.

Und man darf auch nicht die indirekten Einnahmen unterschätzen oder die Kontakte, die daraus entstehen. Ein Beispiel aus meiner Foto-Verwertung: Vor einiger Zeit ist ein Verlag auf mich zugetreten, der ein Foto als Coverbild nutzen wollte, dass ich in meinem Foto-Blog veröffentlicht hatte. Das Buch ist mittlerweile in der dritten Auflage erschienen – und jedes Mal gab es ein ordentliches Honorar.

“Man sollte sich als Selbstständiger nicht von seinem Beruf auffressen lassen. Sonst brennt man aus. Und am Ende sind auch die Kunden unzufrieden.”

Du testest auch andere Plattformen wie Die-Redaktion.de, auf der man Artikel als Zweitverwertung verkaufen kann. Welche Erfahrungen hast du dort gemacht?

Bettina Blaß: Bei Die-Redaktion.de stelle ich einmal pro Woche einen Artikel online zur Zweitverwertung. Das kostet mich etwa zehn Minuten Zeit. In den vergangenen zwei Jahren habe ich damit rund 650 Euro verdient.

Allerdings gibt es hier ein Problem, dass immer stärker auftritt: Wenn ein Artikel mehrmals im Netz erscheint, wird das von Google als doppelter Content erkannt und die Seiten werden abgestraft. Das heißt, sie rutschen in den Suchergebnissen nach unten. Man muss also aufpassen, dass man seinen Kunden nicht hinten herum schadet.

Timo Stoppacher hat kürzlich in eurem Blog einen interessanten Artikel veröffentlicht. Über die Solvenz von Freiberuflern. Das Fazit: Wenn man sich selbstständig macht, muss man damit rechnen, weder einen Dispo noch einen Kredit zu bekommen. Wie sollen junge Journalisten, die den Sprung in die Selbstständigkeit wagen wollen, finanziell über die Runden kommen?

Bettina Blaß: Das ist keine leichte Frage. Wer ohne Rücklagen und ohne einen einzigen Kunden startet, der sollte sich wahrscheinlich zuerst nach einem Brotjob umgucken, mit dem man zumindest seine Fixkosten decken kann – und dann Monat für Monat versuchen, mehr mit Journalismus verdienen.

Ich halte es für wichtig, dass junge Journalisten nicht nur auf die großen bekannten Medien schielen. Denn dort ist die Konkurrenz groß und die Bezahlung häufig gar nicht so gut. Es gibt viele kleine Medien, die gut bezahlen und froh sind, wenn sie Themen und Artikel von guten freien Autoren angeboten bekommen. Gerade auch im Online-Bereich gibt es immer mehr seriöse und ordentlich zahlende Medien.

Und trotz allem Druck: Man sollte sich als Selbstständiger nicht von seinem Beruf auffressen lassen, also auch Feierabend machen und sich Auszeiten gönnen. Sonst macht man Fehler, brennt aus und die Kunden sind unzufrieden. Besser man schmeißt einen schlecht zahlenden Kunden aus seinem Portfolio und erholt sich etwas anstatt sich jeden Tag 15 Stunden mit Arbeit vollzupflastern.

Vielen Dank für das Interview!

Weiterlesen:

1) Bettina Blaß: Wirtschaft verstehen, Das Netz und ich (Dozenten-Seite) und Bild statt Text. Außerdem: Fit für den Journalismus, ein gemeinsames Projekt von Bettina Blaß mit Timo Stoppacher.

2) Meine monatliche Serie im DJV-Medienmagazin „journalist“: „Sprechen wir übers Geschäft“ – Geschäftsmodelle von freien Journalisten. Unter anderem: eine junge WDR-Journalistin, die sich bewusst gegen eine feste Stelle entschieden hat, eine Fachjournalistin, die sich nach 15 Jahren neu erfindet und einen freien Lokaljournalisten, der seine Heimat liebt und dafür bereit ist, sich ein Stück weit selbst auszubeuten.

3) Zum Schluss zwei Beiträge aus meinem Blog zum Thema Journalismus, Social Media und Geschäftsmodelle: „Kennst du das oder kannst du das? Wie Journalisten einfacher ins Social Web einsteigen können.“ Und: „Golem und die erfolgsbasierte Bezahlung – Wie sollten freie Journalisten damit umgehen?


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